Neben der Frage, was man füttern sollte, kommt die Frage nach dem wie häufig zu kurz. Dabei ist die Darreichungsform genauso wichtig ist wie die Zusammensetzung des Futters.
Das grundlegende Ziel einer artgerechten Fütterung ist (neben der Art und Zusammenstellung der Nahrung) eine möglichst naturnahe Darbietung. Sperlingspapageien verbringen in der Wildnis den Großteil des Tages mit der Nahrungssuche und -gewinnung, im Durchschnitt mindestens die Hälfte des Tages. Gehen wir von einem 12-stündigen Tag aus, sind das also mindestens 6 Stunden am Tag.
Füttern wir Körner und Frischfutter nur aus Näpfen, ist diese Aufgabe innerhalb von wenigen Minuten erledigt. Studien zufolge verbringen Papageien in Gefangenschaft in etwa eine halbe bis eine Stunde mit der Nahrungsbeschaffung, das sind ca. 4-8% des Tages. Neben Gefiederpflege und sozialen Interaktionen hat der Vogel den Rest des Tages also nichts zu tun. Trotz Spielzeug ist so Langeweile vorprogrammiert, was zu diversen Verhaltensstörungen wie Rupfen, Verhaltensstereotypien, Aggressivität uvm., sowie zu Übergewicht und Muskelverlust führen kann. Zudem ist Langeweile bzw. Unterforderung ein großer Risikofaktor für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden des Tieres.
Die Nahrung soll also möglichst so angeboten werden, dass sie die Vögel möglichst lang beschäftigt. Leicht gesagt. Hierzu allerdings zunächst eine essentielle Grundlage: Unsere Stubenvögel sind in aller Regel bei Züchter*innen aufgewachsen. Dort werden meist Zuchtboxen verwendet und die Elterntiere werden in der Regel ausschließlich aus Näpfen gefüttert, um den hohen Energiebedarf während der Aufzucht möglichst effizient decken zu können. Daher haben die meisten europäischen Nachzuchten keine bis wenig Erfahrung mit naturnaher Nahrungssuche (Foraging genannt). Auch wenn hierbei gewisse Instinkte greifen, muss Foraging erst erlernt werden.
Die Umstellung von Napffütterung auf Foraging muss also schrittweise erfolgen. Zudem muss immer darauf geachtet werden, dass die grundlegende Nahrungsversorgung sichergestellt ist. Z.B. bietet es sich am Anfang an, nur Leckereien für das Foraging zu nutzen und das Hauptfutter weiterhin in Näpfen zu füttern. Allgemein kann man der Daumenregel folgen: Je ungesünder/reichhaltiger das Futter, desto mehr muss dafür gearbeitet werden. Da die meisten Vögel z.B. Körner lieber mögen als Obst und Gemüse, sollte zweiteres gut zugänglich dargeboten werden, während die Körner ruhig erarbeitet werden können.
Foraging
Aber wie kann Foraging nun in der Praxis aussehen? Hier sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Zur Inspiration empfehle ich Aufnahmen von wilden Sperlingspapageien bei der Nahrungssuche anzuschauen.
Hier kann man sehen, dass Sperlingspapageien an Ästen und teilweise schwindelerregend dünnen Zweigen herumklettern um Früchte, Beeren und Samenstände zu erreichen, aus welchen die Samen dann auch noch herausgeschält werden müssen, sie knabbern Samen von Rispen und Kolben ab, welche auch an der ganzen Pflanze erst gesucht werden müssen, sie gehen auf den Boden und suchen dort Samen im Sand und unter Steinen auf oder fressen sie direkt von samentragenden Gräsern und anderen Pflanzen, sie beknabbern Pflanzengrün, sie fliegen und klettern von einer Nahrungsquelle zur nächsten und ganz wichtig: Sie müssen erst einmal suchen, wo es heute etwas zu fressen gibt.
Hieraus ergeben sich schon enorm viele Möglichkeiten, wie wir unseren Stubenvögeln vergleichbar die Nahrung anbieten können. Schauen wir uns das Ganze systematisch an:
Herumklettern an (dünnen) Zweigen
Das lässt sich recht einfach nachstellen, indem Futter an der Pflanze, in kleinen Näpfen oder an Futterspießen, dort aufgehangen wird, wo sie nur über kleine dünne Äste oder das Käfiggitter erreichbar sind.
Samen/Kerne aus Früchten oder Hüllen herausschälen
Zum einen kann man diese Variante natürlich 1:1 nachstellen, indem man Beeren, Gemüse mit Kernen (z.B. Gurke, Zucchini, Melone, Kürbis, Paprika) oder Früchte mit Kernen (z.B. Kiwi, Drachenfrucht) anbietet. Obendrein gibt das in der Regel eine super Sauerei.
Zum anderen kann man so etwas nachbauen, indem man Futter z.B. in Fingerfallen, Weidenbällchen, kleinen Boxen aus Papier, Pappe, Palmblatt o.ä. versteckt.
Samen direkt von der Pflanze fressen
Welche Futterpflanzen sich genau hierfür eignen, lest ihr in der kommenden Futterpflanzen-Datenbank. In jedem Fall solltet ihr euch hierbei nicht nur auf Kolben- und Rispenhirse beschränken, da diese sehr reichhaltig sind und einen vergleichsweise geringen Beschäftigungswert gegenüber Alternativen haben. Vor allem halbreife Gräser sind hier besonders beliebt wie gesund.
An der Pflanze suchen
Für echtes Foraging solltet ihr nicht nur einen Gräserstrauß aufhängen und fertig. Die Gräser (oder anderes Futter) sollten lieber zerteilt werden und an mehreren Orten angebracht werden. Obendrein bietet dies den Vorteil, dass es weniger Streit um das Futter gibt.
Auf den Boden gehen
In unserer Käfighaltung sollte Futter nicht im eigentlichen Sinne vom Boden gefressen werden, da es hier mit den Ausscheidungen der Vögel in Kontakt kommt, was unhygienisch ist und Krankheiten fördert. Besser bietet man gesonderte Bereiche an, welche sauber gehalten werden können. Am einfachsten kann man hier z.B. auf Plattformen im Käfig oder draußen z.B. auf dem Fensterstock Futter ausstreuen, welches dann aufgesammelt wird. Es wird jedoch nicht lange dauern bis dies keine anhaltende Beschäftigung mehr bietet für unsere schlauen Sperlis. Daher werden gern Wühlkisten genutzt. Diese werden mit Sand, Holzgranulat, getrockneten Kräutern und Blüten, Zapfen, Steinen uvm. gefüllt. Dann werden Pellets, Körner, getrocknete Beeren und anderes trockenes Futter darübergestreut. Die Vögel müssen nun in dem Substrat wühlen, um die Körner zu finden.
Eine andere Möglichkeit bieten herangezogene Gräser, welche in Töpfen oder Schalen angeboten werden können. Man kann z.B. auch Weizen- oder Kleintiergras aus dem Zoofachhandel kaufen und dieses mit Gräsern oder Hirse spicken, um eine samentragende Wiese zu simulieren.
Pflanzengrün beknabbern
Neben Samenständen sollte den Vögeln auch faseriges Pflanzengrün angeboten werden. Füttert man z.B. halbreife Gräser oder Hirsen, werden auch gern die ballaststoffreichen Stängel mit beknabbert. Bei Wurzelgemüse wie Möhren, Radieschen oder auch Kohlrabi wird das Grün oft genauso gern gefressen, wie die Knollen selbst. Auch wenn das Grün nur geschreddert wird, bietet es eine abwechslungsreiche Beschäftigung. Aber auch das knabbern an Gemüse an sich fällt in diese Kategorie. Daher ist es prinzipiell besser, (Obst und) Gemüse am Stück anzubieten (z.B. auf einem Futterspieß) als kleingeschnitten oder geraspelt im Napf.
Fliegen
Ermögliche deinen Vögeln nicht nur das Klettern an Bäumen und Zweigen zu erleben, sondern versuche auch das Fliegen zu Nachrungsgründen oder von Baum zu Baum zu simulieren. So kannst du z.B. die Grundnahrung im Käfig relativ leicht zur Verfügung stellen und reichhaltige Leckereinen an verschiedenen Stellen im Freiflugbereich anbringen.
Ständige Abwechslung
Fortgeschrittene Forager dürfen ruhig ein bisschen suchen müssen, um herauszufinden, wo es heute etwas zu holen gibt. Zumindest beim wöchentlichen Putzen sollten Futterverstecke unbedingt erneuert oder zumindest rotiert werden, damit es nicht langweilig wird.
Umstellung auf Foraging
Für die schrittweise Heranführung an Foraging sollten zuerst leichtere Varianten angeboten werden, wie z.B. Kolben- und Rispenhirse statt loser Hirse im Napf, zunächst frei zugänglich, dann an Orten, die schwerer erreichbar sind und schließlich versteckt. Auch diese Verstecke sollten sich sukzessive steigern, z.B. zunächst in ein offenes Körbchen stecken, dann das Körbchen zu 1/3 abdecken, dann die Hälfte, 2/3 und schließlich ganz zudecken. Deckel sollten entweder für den Vogel abhebbar oder zu zerschreddern sein. Hier eignen sich z.B. Weidengeflecht, Balsaplättchen oder Kork. Für das Heranführen an Wühlkisten kann z.B. zunächst ein Futternapf in die Wühlkiste gestellt werden und dann schrittweise immer mehr des Futters in die Wühlkiste gegeben werden, bis der Napf entfernt werden kann.
Es gibt kein Patentrezept
Bei all dem ist mir eines ganz wichtig zu erwähnen: Jeder Papagei ist anders und nicht alles funktioniert bei jedem Vogel, Paar oder Schwarm. Ich selbst musste dies schon recht schmerzlich erfahren, als meine Sunny ihre Aggressionsproblematik entwickelte (lies mehr darüber in diesem Artikel). Wenn deine Vögel z.B. Gemüse nur geraspelt fressen, nützt es wenig jeden Tag Gemüse am Stück aufzuhängen, nur um es abends unangetastet wieder heraus zu hohlen. Fliegen deine Vögel (noch) nicht aus ihrem Käfig heraus, staubt im Raum verteiltes Futter nur ein.
Wichtig ist daher vor allem der Grundgedanke einer abwechslungsreichen Futterdarreichung. Die obenstehenden Punkte sind weniger als to-do-Liste zu sehen, sondern mehr als Inspiration. Außerdem erhebt die Liste natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich freue mich auch sehr, wenn ihr neue Ideen mit mir in den Kommentaren oder per Mail teilt.
Quellen
Andreas Wilbrand: Futterpflanzen für Vögel: Futter- und Heilfplanzen, Früchte und Süßgräser, Trink- und Badetees. Oertel+Spörer, Reutlingen 2020, ISBN 978-3965550339
Bärbel Oftring & Petra Wolf: Vogelfutterpflanzen aus Natur und Garten – Beliebte Futterpflanzen für Ziervögel und Ziergeflügel Anbau, Ernte, Eignung, Wirkung: Edition Gefiederte Welt. Arndt-Verlag, Bretten 2019, ISBN 978-3945440339
Jörg Ehlenbröker, Renate Ehlenbröker & Eckhard Lietzow: Agaporniden und Sperlingspapageien: Edition Gefiederte Welt. Ulmer, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8001-5431-9
Karl Heinz Spitzer: Sperlingspapageien: Arten und Rassen, Haltung und Zucht. Ulmer, Stuttgart 1992, ISBN 978-3-8334-8551-0
Wolfgang Aeckerlein & Dietmar Steinmetz: Vögel richtig füttern. Ulmer, Stuttgart 2003, ISBN 978-3800135455